Wir verwenden Cookies auf unserer Website.
Diese sind für das Funktionieren der Website notwendig.
Weitere Informationen in der Datenschutzerklärung.
Spontan das Programm geändert
Orchestermitglieder sitzen im Verkehrsstau fest
PADERBORN (WV). Wegen eines stundenlangen Staus aufgrund eines Unfalls auf der A2 nahe Bad Nenndorf konnten zahlreiche aus dem Raum Hannover stammende Musiker der Philharmonischen Gesellschaft Paderborn am vergangenen Sonntag nicht mehr rechtzeitig ihr Konzert in der Kaiserpfalz wahrnehmen. Spontan wurde das Programm geändert.
Gerade einmal zehn Streichinstrumentalisten waren rechtzeitig der Unfallsitu ation entgangen. Da war es „Glück im Unglück“, dass Thomas Berning für dieses Konzert zum 200. Geburtstag von Anton Bruckner Werke einstudiert hatte, die ausschließlich für Streicherbesetzungen komponiert wurden: Bruckners Streichquintett (1878/1889) in einer Orchesterversion, ferner Edward Griegs Suite „Aus Holbergs Zeit".
Zufall auch, dass alle Streichinstrumente von der Violine bis zum Bass in der akuten Situation dennoch in Minimalbesetzung vertreten waren. So entschieden sich die Beteiligten, das BrucknerQuintett statt in der Orchesterfassung in der kammermusikalischen Originalversion aufzuführen. Für die Instrumentalisten bedeutete ihre spontane Entscheidung, diese Version in großen Teilen „vom Blatt“ spielen zu müssen, was den versierten Orchestermusikern bewundernswert gut gelang. Allenfalls den virtuosen Finalsatz des Quintetts hatte man, situationsbedingt und nachvollziehbar, ausgeklammert, da zu diesem Teil, auch für Profimusiker, eine intensive und explizite Vorbereitung erforderlich gewesen wäre. Dass zuvor noch zeitnah die Noten zur Quintett-Fassung über Internet besorgt werden mussten, sei am Rande erwähnt.
Respekt daher den Musikern für ihre großartige, spontane und hoch motivierte Leistung. Zu Recht stellte Thomas Berning in seiner kurzen, erläuternden Begrüßung die Mitwirkenden dem Publikum auch namentlich vor: Wienczyslaw Kasprzak (1. Violine), Ladislaus Kosak (2. Violine), Olof von Gagern (1. Viola), Nir Rom Nagy (2. Viola), Hartwig Christ (Violoncello) und zur Verstärkung Eunseon Jang (Kontrabass). Diese Quintett-Komposition wurde bereits 1996 (Bruckners 100. Todestag) ebenfalls in der Kaiserpfalz von Paderborner Musikern aufgeführt.
Durch kleinere Besetzung neue klangliche Transparenz
Insofern wäre die vorgesehene Streichorchesterfassung von Hans Stadlmaier interessant gewesen, um so das implizite, sinfonische Potenzial dieser Musik erleben zu können. Anschließend spielte das Ensemble Edward Griegs „Aus Holbergs Zeit“, Suite im alten Stil für Streichorchester G-Dur op. 40, ent
standen 1884 zum damals. 200. Geburtstag des vielseitigen, norwegisch-dänischen Dichters Ludvig Baron Holberg. In dieser Suite greift Grieg typische, barocke Formate auf, die zu Lebzeiten Holbergs kompositorisch verbreitet und beliebt waren: Präludium, Sarabande, Gavotte, Air und Rigaudon. Grieg hatte zunächst eine Klavierversion verfasst, die heute zugunsten der verbreiteten Orchesterfassung leider nur selten aufgeführt wird, obwohl sie äußerst brillant geschrieben und hörenswert ist. Wegen der zwangsläufig fast kammermusikalischen Besetzung ergab sich im Konzert ein Höreindruck, der im Vergleich zum üblichen Orchesterklang eine Transparenz eröffnete, die auch feinere Nuancen offenlegte.
Auch hier musizierten die Orchestermitglieder mit großem und respektablem Engagement und Einfühlungsvermögen, wofür sie und Thomas Berning respektvollen Beifall erhielten. Sympathisch auch, dass Berning sich am Ende auf dem Podium bei allen Orchestermitgliedern persönlich für ihr flexibles und motiviertes Mitwirken bedankte.
aus: Westfälisches Volksblatt, Dienstag, 05. März 2024; Text und Foto Hermann Knaup