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Mit Eleganz in die Sommerpause
Thomas Berning dirigiert Haydn und Mozart. Unterhaltsam war es allemal.
Paderborn. Zu einer „Musikalischen Reise durch die Wiener Klassik" hatte die Philharmonische Gesellschaft Paderborn für den Sonntag in die ehrwürdige Kaiserpfalz eingeladen. Nun kann man durch eine Kulturepoche nicht reisen, auch ist die Beschränkung auf zwei Komponisten nicht als repräsentativ für eine Epoche anzusehen; aber bittschön, halten zu Gnaden unterhaltsam war es allemal.
Die Programmauswahl ohne Knackpunkte kam offensichtlich gut an beim Paderborner Publikum, die Pfalz war sehr gut mit Hörern angefüllt. Der Frühabend begann mit einer soliden Interpretation der Symphonie 102 (von 108) des Londonreisenden Joseph Haydn (1732-1809).
Wie schädlich selbst ein freundlich gemeinter Spitzname für .die Reputation eines Menschen sein kann, zeigt sich wunderbar an der angeblich von Mozart stammenden Aussage, Haydn sei so etwas wie ein Papa für ihn gewesen. Und diese tümelnde Bezeichnung „Papa Haydn" zieht sich seitdem durch die Jahrhunderte und vermittelt das Bild eines spießigen, in sich genügsam ruhenden Menschen.
Dabei war Joseph Haydn alles – nur nicht das. Er gilt als Erfinder der Symphonie, von denen er viele auf seinen Reisen vornehmlich nach England schrieb. Er konnte durchaus aufmüpfig gegen seinen Dienstherrn sein und er war einer der intelligentesten, launigsten und fantasiereichsten Komponisten seiner Zeit. Außerdem war er ein wichtiger Wegweiser für Beethoven. Thomas Berning hat genau diese Eigenschaften in der Umsetzung der Partitur solide herausgearbeitet, besonders die Ecksätze ließen hiervon ahnen. Das Orchester folgte willig und besonders die Bläserfraktion ließ durch Klangschönheit aufhorchen. Überhaupt ist es immer wieder erstaunlich, welche Qualität und Spielfreude solch ein Projektorchester entwickeln kann, wenn die einzelnen Spieler zu den Könnern gehören. Das „Orchester der Philharmonischen Gesellschaft" besteht ja aus Musikern unterschiedlicher Orchester, die sich zu einzelnen Projekten zusammenfinden. Gleichwohl bilden sie trotzdem eine Einheit und sind ein sehr ernst zu nehmender Bestandteil der Orchesterlandschaft.
Mit Volker Pohlmann wurde ein Solist für das berühmte Es-Dur Trompetenkonzert von Joseph Haydn gewonnen, der sein Instrument souverän beherrscht und die Solostimme ·überzeugend interpretieren kann. Dieses einzige Trompetenkonzert Haydns wurde ja auch deshalb so berühmt, weil es als erstes seiner Art die damals neu entwickelte Klappentrompete verwendet.
Haydn war ja Neuem immer zugewandt und hatte den durchaus humoristischen Einfall, das Konzert mit einem einzigen Ton der Trompete zu beginnen, dann schweigt sie erst einmal, sozusagen in Erinnerung an die bis dahin gebräuchliche Natur-Trompete, die keine Halbtonskalen spielen konnte. Dann aber geht das virtuose Getön los. Volker Pohlmann brillierte besonders in der Kadenz des ersten Satzes dieses wohl am häufigsten gespielten Solokonzertes für Trompete überhaupt. Sein Ton ist strahlend hell, metallisch da wo es sein muss und gefühlvoll weich an passender Stelle. Wie kann es auch anders sein, bei einem Solotrompeter des Niedersächsischen Staatsorchesters. Berning begleitete rücksichtsvoll und übernahm die Führung an den richtigen Stellen.
„Der Prophet gilt nichts im eigenen Land" das könnte beinahe eine Überschrift über die Lebensbeschreibung von Wolfgang Amadeus Mozart (1756 -1791) sein. Seine Landsleute, für die er heute ein nicht unbedeutender Wirtschaftsfaktor ist, machten ihm das Leben wahrlich schwer. Ganz anders die Menschen in Prag. Hier genoss der junge Komponist allerhöchste Verehrung. Prag wurde für ihn ein wichtiger Ort für Uraufführungen und Auftragsakquise. So trägt denn auch seine D-Dur Symphonie,,Nr.38 den Beinamen „Prager".
Der kluge Programmzettel weist richtigerweise auf die zeitliche und dramaturgische Verbindung zu der Oper „Don Giovanni" (auch ein Auftrag aus Prag) hin. Überhaupt wagt Mozart hier einige Kühnheiten, wie etwa das Hereinbrechen des Fis-Dur-Akkordes in die D-Dur-Umgebung der Einleitung, oder die starke Vorherrschaft synkopierter Rhythmen im ersten Satz. Diese dreisätzige Symphonie ist mit Sicherheit eine der aufregendsten Mozarts. Thomas Berning lief hier zu Hochform auf, sein Dirigat war inspiriert, präzise, er nahm das Orchester nicht mit, er führte es. Es gab keine Zugabe, aber nicht enden wollenden Applaus.
Und wenn der Rezensent beim nächsten Mal nicht direkt hinter dem Kontrabass sitzen muss, kommt er gerne wieder.
aus: Neue Westfälische, Paderborn, 21. Juni 2023, Text und Foto von Rainer Abraham