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Kraftvoll gespielte Wiener Klassik

Orchester der Philharmonischen Gesellschaft Paderborn beendet Konzertsaison in der Kaiserpfalz

Kraftvoll gespielte Wiener Klassik

PADERBORN (WV). Das Orchester der Philharmonischen Gesellschaft Paderborn überraschte am Sonntag (18. Juni) in der Kaiserpfalz mit kraftvoll gespielten Werken von Haydn und Mozart.

Dass ein Konzertprogramm mit beliebten Werken von Joseph Haydn und Wolfgang Amadeus Mozart als Publikumsmagnet wirkt, war und ist absehbar. Umso erfreulicher, dass Thomas Berning, musikalischer Leiter des Orchesters der Philharmonischen Gesellschaft Paderborn, für das Konzert in der gut besetzten Kaiserpfalz Werke aussuchte, die ihrerseits kompositorisch spezifische Eigenschaften aufweisen.

Haydns Sinfonie Nr. 102 in B-Dur hatte bereits bei der Uraufführung am 2. Februar 1795 im Londoner King´s Theatre einen „krachenden“ Erfolg. So berichtete der „Morning Chronicle“: „Haydns Genius ist, wie wir vielfach die Gelegenheit hatten zu bemerken, unerschöpflich. In Bezug auf Harmonie, Modulationen, Melodie, Leidenschaft und Effekt ist er gänzlich unerreicht. Der letzte Satz wurde wiederholt: Und trotz einer Unterbrechung durch das plötzliche Herabfallen eines der Kronleuchter wurde er nicht mit weniger Effekt aufgeführt.“ Seither trägt diese Sinfonie den Beinamen „The Miracle“ (das Wunder), da offensichtlich niemand verletzt wurde.

Das ist längst Geschichte. Thomas Berning tendierte in seiner Interpretation dazu, Haydn nicht als Musiker des Höfischen, viel mehr als einen klugen, energischen und visionären Komponisten zu deuten. Das Orchesterfolgte ihm in der Umsetzung der kühnen, affektgeladenen und kontrastreichen Musik Haydns. Amüsant wirken Phasen im folkloristisch angehauchten Menuett, in dem aber auch Anklänge an die Friedhofsszene aus Mozarts ,,Don Giovanni" (1787) vernehmbar sind. Das findet nicht grundlos statt, weist Haydns B-Dur-Sinfonie auch düstere und nachdenkliche Stimmungen auf.

Im folgenden Konzert für Trompete und Orchester Es- Dur, ebenfalls von Haydn, übernahm Volker Pohlmann den Solopart. Pohlmann ist derzeit Solo-Trompeter im Niedersächsischen Staatsorchester Hannover, wirkt darüber hinaus auch als Mitglied im Orchester der Philharmonischen Gesellschaft mit.

Vorab erklärte er die Sonderheit dieses Konzertes, in dem erstmalig ein Klappenmechanismus eingesetzt wurde, der auch Halbtonschritte ermöglichte und der 1813 vom Ventilmechanismus abgelöst wurde. Haydn griff gern die neue Technik auf und versah sein einziges Trompetenkonzert mit diversen spieltechnischen Raffinessen, nutzte schwer spielbare Tonarten, die von Volker Pohlmann routiniert gemeistert wurden. Für den begeisterten Beifall bedankte sich Pohlmann und spielte, sehr zur Freude der Konzertbesucher, mit einem Orchesterkollegen eine heitere Zugabe.

Nach der Pause stand Mozarts „Sinfonie ohne Menuett“ auf dem Programm. Uraufgeführt wurde sie am 19. Januar 1787 in Prag, einen Tag nach der umjubelten Uraufführung der „Hochzeit des Figaro“. Somit erhielt die Sinfonie Nr. 38 in D-Dur KV 504 ihren berühmten Beinamen „Prager Sinfonie“. Viel wurde darüber sinniert, weshalb diese Sinfonie, statt der damals üblichen 4 Sätze, mangels eines standardmäßigen Menuetts nur dreisätzig blieb.

Und dennoch: Nicht nur wegen ihrer charakterlichen Nähe zum „Don Giovanni“ wurde sie zu „einem Meilenstein der Musikgeschichte“, sie ist ein Meisterwerk in teilweise polyphonen Abläufen sowie in den sehr ernsthaften Durchführungen der Ecksätze. Ähnlich wie Haydn hat sich auch Mozart in seinen sinfonischen Spätwerken innerlich von höfischer Abhängigkeit emanzipiert. Thomas Bernings Interpretation dieser Werke bestätigte diesen musikalischen Impetus. Dafür gab es viel zustimmenden Beifall.

aus: Westfälisches Volksblatt, Donnerstag, 22. Juni 2023; Text und Foto Hermann Knaup


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