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Konzert der Extraklasse: Chopins Musik ist ihr Metier

Auf Einladung der Philharmonischen Gesellschaft zum Tag der Deutschen Einheit begeistert Pianistin Olga Scheps das Publikum in der Kaiserpfalz

Konzert der Extraklasse: Chopins Musik ist ihr Metier

PADERBORN (WV). Den 3. Oktober als „Tag der Deutschen Einheit“ richtete die Initiative „3. Oktober - Deutschland singt und klingt“ für ein bundesweites Singen und Musizieren aus, um an die „Friedliche Revolution von 1989“ und an Frieden und Demokratie zu erinnern. Mit eben dieser Intention des Erinnerns eröffnet traditionsgemäß das Konzert der Philharmonischen Gesellschaft Paderborn zum „Tag der Deutschen Einheit“ die jeweils neue Konzertsaison. In diesem Jahr konnten die Veranstalter mit einem hochkarätigen Solistenkonzert aufwarten.

Die Pianistin Olga Scheps (geb. 1986) spielte zwei Klaviersonaten von Ludwig van Beethoven (1770-1827) und die vier Balladen von Frédéric Chopin (1810-1849). Für ihr von Musikkritikern gefeiertes Debüt-Album „Chopin“ gewann sie 2010 den Echo-Klassik. Seitdem ist sie als Interpretin weltweit gefragt. Zu Beginn spielte sie Beethovens Pathétique, die Klaviersonate Nr.8 c-Moll, op.13. Bruno Bechthold weist im Programmheft darauf hin, dass Beethoven mit „Pathétique“ erstmalig „zur Gattungsbezeichnung (Sonate) eine ergänzende Charakterbezeichnung wählt“.

Formal bewegt sich Beethoven mit dieser Sonate noch in der von Haydn geprägten Sonatenform, doch wird seine Tonsprache eine andere. Seine Musik bedient nicht mehr das Höfische, Beethoven wird vielmehr zum Komponisten der Aufklärung: „Sei mutig, mündig, denke, nimm dein Schicksal selbst in die Hand!“ (B. Bechthold). Olga Scheps spielte die Pathétique in einem zügigen Tempo und konnte die ungeheuren Kontraste, die inneren Spannungen und die unruhigen Ecksätze der Sonate mit sehr nuancierter Spieltechnik nachvollziehen.

Das einleitende, außergewöhnliche „Grave“ weist in der Melodik eine Intervallfolge auf, die später von Tschaikowski zu Beginn seiner 6. Sinfonie, der „Pathétique“- Sinfonie aufgegriffen wird. Der gesangliche, langsame Mittelsatz der Beethovensonate strahlt dann eine gelassene Ruhe aus. Vielen wird die Hauptmelodie durch den Billy-Joel-Song „This Night“ vertraut sein. Fast zum Vergleich spielte die Pianistin Beethovens späte As-Dur-Sonate op. 110, ein grandioses und inhaltlich komplexes Werk, in dem Beethoven längst eigene, zukunftsweisende Wege des Komponierens beschreitet. Bei allen visionären Ideen greift er im 3. Satz der Sonate in absolut vollendeter Weise auf die Form der Fuge Bach’scher Prägung zurück. Die Solistin spielte die Sonate insgesamt mit einem eher dezenten Tempo. Dadurch erreichte sie eine Transparenz, die eine Fülle oft ungehörter, kompositorischer Details offenlegte.

Im zweiten Teil des Solokonzertes spielte Olga Scheps Chopins 4 Klavierballaden, eine bewundernswerte, spieltechnische Meisterleistung! Mit diesen Musikstücken hatte Chopin die literarische Gattung „Ballade“ auch als musikalische Form adaptiert und sich zugleich als einer ihrer größten Meister eingebracht. Seine Balladen beginnen mit einer einprägsamen Gesanglichkeit, steigern sich dann in ihrem Verlauf zu virtuosen Klangerzählungen, die zutiefst aufwühlend und bewegend sind.

Der Solistin war anzumerken, dass die Musik Chopins ihr Metier ist. Sie interpretierte die Musik völlig unprätentiös. Spieltechnisch schwierige Passagen meisterte sie brillant. Virtuosität zelebrierte sie nicht als Effekthascherei oder Selbstdarstellung, sie ereignete sich bei ihr eher unauffällig, völlig im Dienst des Werkes stehend und zum Organum der Musik gehörend. Sie beherrschte den Umgang mit einer werkimmanenten Dynamik mit absoluter Perfektion.

Jeder Ton, jede Verzierung, jede Modulation, jede Begleitung, jede Anschlagspräzision kam als unabdingbar bedeutendes Element angemessen zur Geltung. Das muss man erlebt haben! Zum begeisterten Applaus und zur Freude der Zuhörer spielte sie zwei Zugaben: den rasanten 3. Satz „Precipitato“ aus der 7. Klaviersonate von Sergej Prokofiew und eine eigene lyrische Variation über die Melodie eines Computerspieles.

aus: Westfälisches Volksblatt, Mittwoch, 5. Oktober 2022; Text und Foto Hermann Knaup


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